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Lesedauer: 3 Minuten

Christine Nickel ist seit acht Jahren Telefon-Seelsorgerin

Sie mag das Telefon, weil die Stimme viel verrät. Wenn ihr Unbekannte Sorgen anvertrauen, telefoniert sie aus einem Büro. Das hilft, Probleme in diesem Raum zu lassen. „Am häufigsten rufen kranke Menschen an. Außerdem geht es um psychische Probleme, Angst, Suizid-Gedanken, um Liebeskummer, Konflikte mit Familie oder Arbeit. Und natürlich um Einsamkeit, gerade durch Corona“, sagt Christine Nickel (42). Sensibel tastet sie sich vor, tröstet, bringt neue Blickwinkel ins Spiel, versucht Gedankenspiralen zu knacken. „Das ist nicht rundum düster. Manchmal lachen wir auch ein bisschen.“ 20 bis 30 Minuten dauern die Gespräche. Oft spürt sie am Ende Dankbarkeit und fühlt sich demütig. Christine Nickel engagiert sich seit acht Jahren für diese Aufgabe, als eine von über 7.700 Ehrenamtlichen im Land.

Hauptberuflich arbeitet sich die sportliche Frau gerade als Regionalverkaufsleiterin eines großen Discounters ein. Zeit für ihr Ehrenamt reserviert sie trotz langer Arbeitstage eisern. „Würde man für ein Hobby auch tun“, sagt sie pragmatisch. Den Impuls, sich bei der Telefonseelsorge zu engagieren, verdankt Christine Nickel einem guten Freund. Er erzählte ihr von der Telefonseelsorge Berlin und meinte: Das wäre auch was für dich! Damals lebte sie am Rhein, absolvierte ein Abendstudium, konnte sich aber langfristig schon ein Ehrenamt vorstellen, das fordert und Spaß macht. 2013 bewarb sie sich bei der TelefonSeelsorge Köln. Dass auch eine Absage denkbar ist, gehörte nicht zum Plan. Sie haderte nur kurz, im zweiten Anlauf klappte es. Ein knappes Jahr wird sie ausgebildet.

Der Mix aus Theorie und Hospitationen verschafft Schritt für Schritt Sicherheit. Ihren ersten Telefondienst übernimmt sie im Dezember 2013. Die Schulungen setzen sich bis heute fort, ohne Austausch mit erfahrenen Ansprechpartner*innen geht es nicht. Diskret und vertraulich natürlich, oberstes Gebot bei der TelefonSeelsorge. „Wer anruft, bleibt anonym – wir aber auch.“ Das gilt ebenso für E-Mail- oder Chat- Kontakte. Die TelefonSeelsorge-Arbeit macht Christine „zufrieden und ein bisschen stolz“ – und hat sie verändert: „Jetzt schätze ich mehr, dass ich gesund bin, höre genauer zu, bin toleranter.“ Sie tippt auf ihr Shirt mit dem „Sorgenfalter“-Logo. Es ist auf den gleichnamigen Song von MIA gemünzt: Lass mich dein Sorgenfalter sein, ich falte große Sorgen klein … – „Passt doch“, lächelt sie.

Text: Claudia Korte (November 2021), Fotos: Reginald Gramatté, Telefonseelsorge Berlin

Die TelefonSeelsorge Berlin – Außenansicht
Bild: Telefonseelsorge Berlin

Die Gründer*innen der Telefonseelsorge Berlin. 1956 wurde der Verein Telefonseelsorge Berlin e. V. als erste Telefonseelsorge in Deutschland gegründet. Mittlerweile umfasst das Netzwerk 104 Stellen, die meisten davon in kirchlicher Trägerschaft, mit rund 300 Festangestellten sowie über 7.700 Ehrenamtlichen.

Bild: Telefonseelsorge Berlin

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