Die Galerie in der Wilhelmine5
Wer sich in den westlichen Teil von Oberschöneweide begibt, in den Abschnitt der Wilhelminenhofstraße zwischen Edison-und Siemensstraße, der erwartet die Tristesse einer alten Industrielandschaft. Eine Galerie erwartet man hier nicht und noch weniger das Idyll, das ich nach dem Betreten der Hausnummer 5 vorfinde. Ein heller Hinterhof mit viel freiem Himmel, dem Grün einer sorgfältig eingefassten kleinen Rasenfläche und den bunten Farben einiger Frühlingsblüher.
Eine kleine Gesellschaft hat sich zur Eröffnung der Ausstellung „Der analoge Blick“ eingefunden. Arbeiten des Fotografen Helmut Peter Fieweger. Mit seinen Bildern hat er dazu beigetragen, die Modezeitschrift Sibylle zu einer Ikone in der Medienlandschaft der DDR zu machen. Von Juni bis Juli zeigt die Galerie dann eine Ausstellung mit historischen Fotografien aus der DDR: „Damals in Köpenick“. Bereits zu sehen waren an diesem Ort die „StadtLandschaften“ des Berliner Malers Oliver-Reymond Reiland, der für einige Jahre sein Atelier im nahe gelegenen Funkhaus in der Nalepastraße hatte, oder die „Traumwelten“ der Schöneweider Künstlerin Annika Hellberg.
Die Galeristinnen: Angela Käther und Sandra Neumann
Angela Käther und Sandra Neumann haben die „Galerie in der Wilhelmine5“ im Oktober 2021 ins Leben gerufen. Die beiden verbindet eine langjährige Freundschaft, beide sind zudem als Heilpraktikerinnen tätig. Angela Käther hat vor vier Jahren die Wilhelminenhofstraße 5 für sich entdeckt, die sie zuerst nur als Praxis nutzte: „Ich suchte einen Ort, der still ist, für meine Praxis brauche ich Stille, wollte eine Atmosphäre, die heilsam ist und hatte mir einen Hof mit Garten vorgestellt.“ Nachdem dieser Hof gefunden und die Remise darin bezogen war, sollte es dabei nicht bleiben: „Ich habe mir gedacht, dieser Ort braucht auch Kunst und Kultur, weil der Hof und die Räume das hergaben.“ So entstand der Veranstaltungsort „Wilhelmine5“, der mittlerweile im Veranstaltungskalender von Treptow-Köpenick einen festen Platz einnimmt. Und ein Netzwerk von Kontakten im Bezirk, so zum Industriesalon Schöneweide, zu Buchhandlungen, zu Künstlerinnen und Künstlern.
Das brachte Sandra Neumann auf den Plan, die in einer weiteren Berufung Historikerin ist, für die Bildagentur dpa-Zentralbild tätig war und in dieser Aufgabe mit Kollegen auch das Fotoarchiv des Berliner Verlages aufgearbeitet hatte. Als man im Verlag die Entscheidung traf dieses aufzulösen, entschloss sie sich, das Bildarchiv mit einem Konvolut von ca. 1 Mio. Bildern zu übernehmen: „Es gab die Entscheidung, dieses Archiv nicht zu halten – aus meiner Sicht absolut verwerflich – es gab aber auch niemanden, der dieses Archiv in seiner Gesamtheit übernehmen wollte. Gerade es in seiner Gesamtheit zu bewahren, um die gewachsene Struktur dieser historisch bedeutsamen Sammlung nicht zu zerstören, darauf kam es mir an – letztlich habe ich es dann übernommen.“
So ist es nun auch eine Aufgabe der Galerie, dieses Erbe der DDR-Fotografie zu erhalten und zugänglich zu machen. „Wir müssen anfangen diese Bilder zu zeigen, weil dieses Erbe sonst vergessen wird“, beschreibt Sandra Neumann ihre Motivation. Um eine überregionale Zielgruppe zu erreichen, entwickelt sie mit Freunden gemeinsam das Projekt „DDR Foto Erbe“, die Reichweite der Galerie würde dieser Herausforderung nicht gerecht werden.
„Wir sind klein und fein. Und wir wollen auch klein und fein bleiben. Familiär“. So beschreiben die Gründerinnen ihre Galerie. „Wir zeigen Arbeiten von Künstlern aus dem Bezirk, das ergibt für uns Sinn, und wir zeigen Arbeiten, die uns gefallen und die wir in diesem Raum sehen.“ Der familiäre Kontakt zu den Besuchern der Ausstellungen ist den Galeristinnen wichtig. „Wir erhalten viel Unterstützung von Freunden. Und wenn wir Veranstaltungen haben, gibt es immer Menschen, die uns fragen, können wir helfen. Es gefällt einfach so vielen als Angebot oder auch als Oase hier – und die Leute sind Teil davon.“
Autor: Stephan Schulte (Mai 2022), Fotos: Peter Sende, Galerie in der Wilhelmine5; Wilhelmine5