Historische Straßenbahnen in Treptow-Köpenick
Es riecht nach Öl und Farbe an diesem Ostersamstag im Betriebshof Köpenick. Von feiertäglicher Ruhe keine Spur. Obwohl: für die Männer vom Denkmalpflege-Verein Nahverkehr Berlin scheint es immer ein Festtag zu sein, wenn sie an ihren Schätzen schrauben, pinseln und verkabeln können. Die Schätze, das sind 55 historische Straßenbahnen. Die älteste eine Pferdebahn von 1883, die jüngste ein Tatra-Wagen von 1989. Erstes Sammlungsstück aber war Lotte, ein Triebwagen der Cöpenicker Straßenbahn von 1903. Zwei Jahre haben die Straßenbahnenthusiasten daran gearbeitet, um ihn fit zu machen für den Festumzug zum Köpenicker Sommer 1967. Die Geburtsstunde des Vereins. Der will mit seiner Arbeit ein Stück Geschichte bewahren. Industriegeschichte.
Berlin ist Industriekultur pur. Auch in Treptow-Köpenick stoßen wir auf deren Zeugnisse. „Das liegt daran, dass Berlin um 1900 die modernste Industriemetropole Europas war. Und im Ostteil fehlte das Geld für Modernisierungen. Deshalb gibt es hier noch viele Bauten der einstigen „Elektropolis“, erklärt Katharina Hornscheidt vom Berliner Zentrum Industriekultur, kurz bzi. Doch nicht nur die Bauten stehen für die rasante industrielle Entwicklung Berlins. Um 1900 kamen Stadtplaner aus aller Welt hierher, um sich die Infrastruktur der wachsenden Großstadt anzusehen: das modernste Wasserwerk Europas in Friedrichshagen, das Drehstromkraftwerk in Schöneweide, den Nahverkehr mit U- und Straßenbahnen. Die erste Straßenbahn der Welt fuhr in Berlin.
Geschichte aktiv vermitteln
Diese Industriegeschichte er-fahrbar zu machen, haben sich die Mitglieder des Denkmalpflege-Vereins auf ihre Fahnen geschrieben. Rund 15 bis 20 von ihnen sind jedes Wochenende dabei, die Wagen in einem fahr- oder zumindest ausstellungsbereiten Zustand zu erhalten. Von April bis Oktober sind fast jedes Wochenende ein bis zwei historische Züge unterwegs, einmal im Monat gibt es Themenfahrten. Mit Fahrern in historischer Uniform. „Wir informieren über die Strecke und die Wagen und bieten auch Führungen im Betriebshof an“, sagt Hartmut Gröschke, der Chef des Vereins.
Solche aktive Geschichtsvermittlung ist ganz im Sinne des bzi. Das Team versteht sich als Kompetenzzentrum in Sachen Industriekultur. Es hat touristischen Angebote entwickelt und kümmert sich auch um die Nachnutzung der Industriekulturstätten. Denn: Was wäre Berlin ohne die Technoclubs in ehemaligen Kraftwerken, die Galerien und Startups in den stillgelegten Fabriken?
Text: Claudia Berlin (April 2022), Fotos: Reginald Gramatté
Weitere Infos: www.industriekultur.berlin