
Jana Heinze (Bild: Nikolai Saratow)
Stern des Monats April 2025
Faszination und Propaganda: das Sowjetische Ehrenmal in Treptow
Jana Heinze macht ehrenamtlich Führungen zum Ehrenmal im Treptower Park
„Der monumentale Rotarmist, der auf ein zerbrochenes Hakenkreuz tritt. 7.000 tote Soldaten, deren Gräber nicht gekennzeichnet sind. Und unkommentierte Stalin-Zitate auf Russisch und Deutsch. Das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park, im Mai 1949 eröffnet, ist ein geschichtsträchtiger Ort. Als Mitglied der Menschenrechtsorganisation Memorial e. V. mache ich ehrenamtlich kritische Führungen über das Ehrenmal, die nächste am 8. Mai. Wir von Memorial setzen uns für die Aufarbeitung der sowjetischen Gewaltherrschaft ein. Wir engagieren uns für Menschenrechte und eine lebendige Zivilgesellschaft.
Überwältigungs-Architektur zum Ruhm einer Diktatur
Auf dem Gebiet des Treptower Parks fanden am Ende des Zweiten Weltkriegs schwere Kämpfe statt. 7.000 Sowjet-Soldaten liegen hier begraben, die meisten waren zwischen 19 und 25 Jahren alt. Auch Frauen sind unter den Toten, Funkerinnen und Ärztinnen der Roten Armee. Die Gräber liegen unter Rasenflächen, sie sind nicht gekennzeichnet und somit als Grabstätten gar nicht zu erkennen. Das ist Absicht. Das Ehrenmal mit den symmetrisch angeordneten Kalksteinblöcken, den Sichtachsen und der Kolossalstatue des Rotarmisten ist – durchaus faszinierende – Überwältigungs- und Propaganda-Architektur. Errichtet zum Ruhm einer Diktatur und nicht, um toter Menschen zu gedenken.
Erschüttertes Geschichtsbild
In der Sowjetunion wurde die Treptower Anlage 1965 auf einer 1-Rubel-Münze verewigt. In der Stadt Kemerowo in Sibirien steht seit November 2021 eine Kopie des Ehrenmals. Und heute instrumentalisieren Putin-Anhänger das Sowjetische Ehrenmal in Treptow für ihre Zwecke. Ich bin in der DDR aufgewachsen und war schon immer sehr geschichtsinteressiert, bin aber keine Historikerin. Ein Schlüsselerlebnis für mich: 2013 hörte ich im Radio zum ersten Mal von der Organisation Memorial. Es war der Bericht von einer Veranstaltung in Moskau, wo die Namen derjenigen vorgelesen wurden, die durch den Stalin-Terror allein in Moskau ermordet worden waren … ein Tag reichte dafür nicht aus. Das habe ich nicht vergessen und mich weiter informiert. Mein Geschichtsbild, das mir in der DDR vermittelt wurde, wurde komplett erschüttert. Mich entsetzt, was alles verschwiegen, verdreht, verdrängt wurde. Als Memorial Russland im November 2021 verboten wurde, habe ich mich entschieden, jetzt reicht Sympathie nicht, jetzt musst du Mitglied werden.
Was ich mit meinem Engagement und auch bei den Führungen erreichen möchte ist, dass Menschen genau hinsehen, bei diesem Denkmal und auch sonst im Leben. Nehmen Sie Details wichtig, seien Sie kritisch, machen Sie sich unabhängig von Propaganda! Was mich stört, ist das zunehmende Weichzeichnen der SED-Diktatur. Das Treptower Ehrenmal bietet viele Ansatzpunkte, darüber zu reden. Jede Frage ist willkommen.“
www.memorial.de Nächste Führung am 8. Mai 2025, die Uhrzeit steht noch nicht fest, wird aber demnächst hier veröffentlicht: Veranstaltungen – Memorial Deutschland
Text: STERNENFISCHER, Foto: STERNENFISCHER/Nikolai Saratow