Ingo Hambach (Bild: Reginald Gramatté)

Stern des Monats März 2025

„Wir erforschen die Geschichte von Wendenschloss“

Ingo Hambach ist ehrenamtlicher Leiter der Geschichtswerkstatt im KIEZKLUB Haus der Begegnung

Was haben ein schwedischer Schallplattenproduzent, das Eiswerk der Meierei Bolle und ein Physik-Nobelpreisträger gemeinsam? Sie alle spielen eine Rolle in der Geschichte von Wendenschloss. Ingo Hambach erforscht die spannende Geschichte des Ortsteils und ist ehrenamtlicher Leiter der Geschichtswerkstatt im KIEZKLUB Haus der Begegnung.

„Schon seit dem Jahr 2000 bin ich im KIEZKLUB Haus der Begegnung aktiv, also bereits ein Jahr, nachdem ich nach Wendenschloss gezogen war. Im Bürgerverein habe ich Veranstaltungen organisiert und auch selbst Vorträge gehalten, zum Beispiel über die Geschichte der Schallplatte. Ich liebe Musik und habe viele alte Schellackplatten.

 Schallplatten, frische Fische und Physik

Immer wieder war bei den Begegnungen die Rede von Schauspielern, Wissenschaftlern und anderen Persönlichkeiten, die hier gewohnt oder gewirkt haben. Das gab dann 2022 den Anstoß für die Gründung der Geschichtswerkstatt, die ich heute leite. Wir haben angefangen, zur Geschichte des Ortes zu recherchieren. Die ist ziemlich kurz, denn Wendenschloss, das früher Eichhorn hieß, ist als Villenkolonie erst Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Also konzentrieren wir uns auf die Suche nach Persönlichkeiten, die hier lebten, und auf die Industriegeschichte von Wendenschloss. Da wäre die Meierei Bolle, um 1890 das größte und bedeutendste Milchunternehmen Deutschlands. Die Zentrale war zwar in Moabit, aber in Wendenschloss gab es unter anderem ein Eiswerk. Mit dem Eis der zugefrorenen Dahme wurde die Milch gekühlt und auch die Frischfischversorgung gewährleistet.

Besonders interessiert hat mich aber die Geschichte der Carl Lindström AG, die in den 1920er Jahren der größte Schallplattenproduzent Europas war. Jeden Tag wurden im Stammbetrieb in Neukölln 150.000 Schallplatten produziert. Carl Lindström, ein gebürtiger Schwede, wohnte von 1915 bis 1930 in Wendenschloss und ist in Köpenick begraben.

Zwangsarbeit in der Wendenschlossstraße

Auch der einzige Nobelpreisträger, der in der DDR lebte, war in Wendenschloss zuhause. Gustav Hertz, ein Neffe von Heinrich Hertz, hatte 1925 den Nobelpreis für Physik erhalten. An seinem Haus im Lienhardweg erinnert eine Tafel daran. Bis Anfang 1945 wurden in der Wendenschlossstraße – auf dem Gelände des späteren Funkwerks Köpenick –  kriegswichtige Radargeräte entwickelt und gebaut. Auch von Zwangsarbeitern aus der Sowjetunion, Jugoslawien, Belgien, Frankreich und Deutschland. Ein düsteres Kapitel in der kurzen Geschichte von Wendenschloss. Sie zu erforschen, ist eine herausfordernde und spannende Aufgabe. Ein Ehrenamt, das mir aber auch viel Freude bereitet.“

KIEZKLUB Haus der Begegnung, Wendenschlossstr. 404 in 12557 Berlin, Telefon (030) 654 88 114, Leitung: Sabine Stresow, E-Mail: stresow.soz@ba-tk.berlin.de

Text: STERNENFISCHER/Claudia Berlin, Foto: Reginald Gramatté

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