
Stern des Monats Juli 2025
„Mein Ehrenamt ist nötiger denn je“
Ellen Händler engagiert sich im Bund der Antifaschisten Treptow
„Seit 25 Jahren bin ich Vorsitzende des Bundes der Antifaschistinnen und Antifaschisten (BdA) Treptow e.V. Ein Ehrenamt, das mir sprichwörtlich in die Wiege gelegt wurde. Meine Eltern stammten aus jüdischen Familien, haben mit viel Glück die Nazizeit in England überlebt und sich nach ihrer Rückkehr in die Heimat als Antifaschisten engagiert. Als kurz nach dem Mauerfall erste Hakenkreuzschmierereien am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow auftauchten, wollten Verfolgte des Naziregimes und jüngere Antifaschisten etwas gegen das Wiedererstarken des Faschismus tun und gründeten im Januar 1990 mit „antifa Treptow“ den ersten gemeinnützigen antifaschistischen Verein nach der Wende. Erste Vorsitzende wurde Vera Ansbach.
Gedenken an Verfolgte des Naziregimes in Baumschulenweg und Adlershof
Wir pflegen seitdem ein aktives Vereinsleben mit Ausstellungen, kulturellen und politischen Veranstaltungen. Mithilfe von 49 ABM-Kräften leisteten wir viel für die wissenschaftlichen Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Treptow. Ein Ergebnis, auf das wir stolz sind, ist die Gründung des Dokumentationszentrums Zwangsarbeit.
Wir kümmern uns auch um die beiden Ehrenhaine für Verfolgte des Naziregimes, die es in Treptow gibt. Zum 80. Jahrestag der Befreiung haben wir alle 460 Grabsteine auf den Friedhöfen in Baumschulenweg und Adlershof geputzt und auf jeden eine rote Nelke gelegt. Die jungen Leute, die uns dabei unterstützt haben, konnten so auch etwas über die Lebensgeschichte einiger Widerstandskämpfer erfahren.
Stolpersteine für jüdische Familien
Politische Bildung ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir gehen in Schulen und gestalten jährlich die Feiern zum 8. Mai an der Skulptur „Mutter Heimat“ im Sowjetischen Ehrenmal in Treptow sowie die Matinee in unserem Rathaus am 9. November zur Erinnerung an die Reichspogromnacht 1938. Da es immer weniger Zeitzeugen gibt, müssen wir andere Formen des Erinnerns finden. Am 8. Mai 2025 baten wir zehn Kinder von Zeitzeugen, darüber zu sprechen, wie ihre deutschen Eltern in der Sowjetunion, in England, in Frankreich, den USA, im KZ und im Untergrund den Tag der Befreiung erlebt haben. Das war sehr bewegend und berührend.
Eine andere Form des Erinnerns, die uns sehr wichtig ist, sind die Stolpersteine. Seit zwei Jahren arbeitet in unserem Verein wieder eine Stolpersteininitiative, zunehmend mit Schülern. Am 1. September wollen wir vier Steine für zwei jüdische Familien in der Defreggerstraße 10 verlegen. Stolpersteine für verfolgte Kommunisten und einen Zeugen Jehovas sind geplant. Mein Ehrenamt kostet viel Zeit und Kraft, aber es ist nötiger denn je, sinnvoll und auch beglückend.“
Weitere Infos: Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Treptow
Text: STERNENFISCHER/Claudia Berlin, Foto: STERNENFISCHER/Reginald Gramatté